In their cycle Amerikanisches Ende (American End), Norbert Bauer and Ralf Tekaat approach a subject or a term associatively and dialogically. The result of their dialogue makes it clear that individual associations of the viewers complete the triggered artistic discussion. With Amerikanisches Ende, the artists have taken a current film practice as an inspiration fitting to their approach.
With this concept they denote the alternative, mostly positive end of feature films for the American market. Independent of the censorial intentions of the studio, this procedure refers to the fact that stories have no single, linear-logical acts, that they are, to the same extent, variable  and dependent on both the tellers and the receivers. This characterises Norbert Bauer and Ralf Tekaat’s approach, who, also in this project, find and exchange concepts, images and processes related to the theme, which they then graphically represent and re-work.
Accordingly, the rejected end of The Little Shop of Horrors belongs to Amerikanisches Ende just as much as a portrait of Will Hays, the producer of ‘Motion Picture Codes’, and a statue of Kurt Cobain. The artists explain his American end as part of a chain of free association within the complementary plan. As open as they operate concerning content and imaging, just as strict is the formal corset (the unified format of 30 x 40 cm, block hanging) they impose on themselves. It seems to provide the viewer with a pattern for reception, which, however, constantly breaks open, creating more room for one’s own American ends.

Ingmar Lähnemann



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Norbert Bauer und Ralf Tekaat nähern sich in ihrem Zyklus Amerikanisches Ende assoziativ und dialogisch einem Thema, einem Begriff. Das Ergebnis ihres Dialogs macht deutlich, dass individuelle Assoziationen von BetrachterInnen die angestoßene künstlerische Diskussion vervollständigen. Mit dem Amerikanischen Ende haben sich die Künstler eine zu ihrem Ansatz passende gängige Praxis der Filmbranche als Inspiration genommen.
Mit diesem Begriff bezeichnen sie das für den amerikanischen Markt gedrehte alternative, meist positive Ende für Spiel- filme. Unabhängig von der zensorischen Intention der Studios verweist dieses Verfahren darauf, dass Geschichten keine einzelne linear logische Handlung beinhalten, dass sie veränderlich und in gleichem Maße von den Erzählenden wie den Rezipierenden abhängig sind. Dies charakterisiert den Ansatz von Norbert Bauer und Ralf Tekaat, die auch in diesem Projekt im Austausch untereinander Begriffe, Bilder und Prozesse zum Thema finden, die sie dann zeichnerisch darstellen und überarbeiten.
Zum Amerikanischen Ende gehört demnach das verworfene Ende von Mein kleiner Horrorladen ebenso wie ein Porträt von Will Hays, dem Verfasser des Motion Picture Production Code, und eine Statue von Kurt Cobain. Dessen amerikanisches Ende als Teil einer freien Assoziationskette erläutern die Künstler im ergänzenden Plan. So offen sie inhaltlich und in der Bildgebung agieren, so streng ist das formale Korsett, das sie sich (durch das einheitliche Format von 30 x 40 cm und der Hängung im Block) auferlegt haben. Es scheint für BetrachterInnen ein Rezeptionsschema vorzugeben, das jedoch inhaltlich konstant aufbricht und damit umso mehr Raum für eigene amerikanische Enden schafft.

Ingmar Lähnemann





Amerikanisches Ende (2014)

Der Begriff Amerikanische Ende bezeichnet das für den amerikanischen Markt geschnittene Ende einer Filmproduktion, das sich von den in anderen Ländern oder Regionen vertriebenen Versionen unterscheidet. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Terry Gilliams Film “Brazil”. Auf Drängen des Studios wurde für den amerikanischen Markt vom Regisseur eine eigene, kürzere Version erstellt. Die Verantwortlichen des Studios bestanden jedoch auf weiteren Änderungen: Das verstörende Ende von Gilliams Schnitt sollte durch ein Happy End ersetzt werden, welches der gesamten Handlung eine Wendung ins Positive (“Love conquers all”) gegeben und den dystopisch-hoffnungslosen Charakter des Films konterkariert hätte.
Der Begriff „Amerikanische Ende“ steht also für Alternativen, Zusätze, Erklärungen, Variationen oder Gegenentwürfe, die entweder divergierende Lesarten zulassen oder ein Übermaß an Eindeutigkeit produzieren.
Zuerst interessiert uns dieser Umgang mit dem Produkt Film, in dem sowohl der Verzicht auf die Autonomie des Künstlers/Autors (= Regisseurs) als auch auf die Linearität und Einheitlichkeit von Geschichte zum Ausdruck kommen. Viel mehr werden die Geschichten – wie in vorschriftlicher Zeit – wieder vielstimmig gestaltet und an verschiedenen Orten unterschiedlich erzählt.
Darüber hinaus birgt der Begriff Amerikanische Ende aber noch viel mehr Potential:
Wörtlich genommen könnte er etwas typisches bezeichnen: Zum Beispiel den Showdown, den Moment in dem das Reden vorbei ist und die Waffen gezogen werden. Ist das Meer das Amerikanische Ende (zumindest das östliche und das westliche)? Oder ein Zaun an der Grenze zu Mexico? Und welche Seite des Zauns wäre dann das Amerikanische Ende? Ist das Amerikanische Ende die Erfüllung des amerikanischen Traums oder sein Misslingen? Ist es offen, wie Kafkas Roman „Amerika“ („Der Verlorene“)? Oder ist es gar kein wirkliches Ende, sondern nur das Ende einer Reise und damit ein neuer Anfang, wie z.B. für Künstler wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang, Friedrich Holländer, Max Beckmann und viele andere.



Norbert Bauer / Ralf Tekaat
Amerikanische Ende
(American End) |
2014 | about 50 drawings | each pencil on paper  | 30 x 40 cm


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