Tekaat greift im eher traditionellen Medium der Bleistiftzeichnung rätselhaft bis futuristisch anmutende Motive auf und blickt dabei hinter die Oberfläche unserer gesellschaftlichen und politischen Gegenwart. Gewöhnlich in 70 x 100 gefertigt, sprengen Tekaats Blätter schon das übliche Zeichnungsformat. Viele seiner Arbeiten beanspruchen aber noch mehr Fläche, bisweilen drei mal sechs Meter. Erstaunlich, zu welcher Präsenz und Raumbehauptung Graphit und Schraffur mobilisiert werden können.  
 
Was ist auf den Blättern zu sehen? In aller Regel Dinge mit einem blockhaften, eher statischen Charakter. Die meisten ruhen in einem nicht näher definierten weißen Raum, manche führen dynamische Spuren mit sich. Aber: kein konkreter Ort, nirgends für die merkwürdigen Gebilde. Und auch die Objekte selbst geben ihre Identität nicht gleich und selbst nach längerem Hinsehen nicht zweifelsfrei preis. Da scheint beispielsweise ein länglicher Quader das Maul aufzureißen und Zyklopen gleich mit einem winzigen Objektiv sein Gegenüber ins Visier zu nehmen. Aber wie groß ist dieses Ding wirklich, das da zwischen Steinzeit und High-Tech-Zeitalter vagabundiert? Ist es eine Fotozelle, ein Bunker? 
 
Ralf Tekaat arbeitet souverän mit der Schraffur Volumen ein und aus, gönnt den Dingen eine äußerlich konkrete Gestalt, gibt ihnen Form und Ausdehnung im medialen Raum, richtet die Perspektive ein. Manches schließt sich in der Fläche, anderem ist durch eine linear bewegte Binnenstruktur Dynamik eingeschrieben. Doch so konkret - dinglich, technoid, fetischhaft - die Objekte auch erscheinen - reale Dimensionen und wirkliches Gewicht sind nicht ablesbar. Die Zeichnungen könnten Konstruktionsskizen sein, doch ins Plastische zieht es Tekaat nicht. Auf dem Blatt führen die Dinge schattenlos, ankerlos, unfertig in künstlerischer Absicht ihr künstliches Eigenleben, präsentieren sich als Entwurf und Idee, sind von der Wirklichkeit entfernt und ihr gleichzeitg irritierend nahe.  
 
Da starrt etwa aus dem Blatt Kamera ein maskenhaftes Gebilde mit rotem „On“-Auge den Betrachter an. Nur selten setzt Tekaat Farbe ein, kaum als Bedeutungsträger. In diesem Fall gewinnt die Farbe Signalcharakter. Etwas dreht sich da ins Bild und fährt den Sucher aus, eine Mischung aus archaischer Statue und technischem Gerät. Die Dinge scheinen ein Eigenleben zu führen. Sie nehmen figürliche Konturen an, ersetzen den Menschen, der aus den Zeichnungen verbannt ist, oder verweisen auf ihn als den Urheber und Produzenten einer Maschinerie, der nun zu derem geworden ist und ihre Wirkungen erfährt. 
 
Den Dingen, so amorph ihre Form auch sein mag, scheint „eine gewisse Funktion inne zu wohnen“, formuliert der Künstler selbst. Doch „dieser Zweck erschließt sich nicht“. Die physische Präsenz von Into the Batmobil, Predator oder Black Moby - die Titel gleichen schon einer Kampfansage - ist unübersehbar. Noch mehr aber wirken die Assoziationen, die sie auslösen. Sie entspringen einer Science-Fiction-Welt, die ihre Faszination einer unbestimmten Bedrohung verdankt, die auch eher diesseitig empfindende Erdenbürger nicht leugnen können. Tekaats Flugmaschinen und Überwachungseinrichtungen verweisen auf Feinde von außen und innen, auf unfreundliche interstellare Übernahmeabsichten oder Alltag gewordene Überwachung mittels einfacher Videokameras zum Objektschutz oder Satelliten gestützter Geheimdienstrecherche. Wovon die Sci-Fi-Filmwelt lebt und worauf Ralf Tekaats Zeichnungen verweisen: Verschwörungen köcheln, und Netzwerke untergraben unsere Lebenswelt.  
 
So ist die Carrerabahn eine Miniaturrennstrecke, eine geheimnisvolle Acht und ein Unendlichkeitszeichen. Ein U ist Magnet oder Headquarter. Dinge und Darstellungen tragen mehrere Gesichter und Geheimnisse. Eine Quelle dafür liegt im Medium selbst: Tekaat formt mit dem Bleistift blockhaft Abgeschlossenes, gibt aber auch lineare Zeichen, durchwalkt das Papier zur Stofflichkeit, schafft im Graphitspiegel Projektionsflächen für Assoziationen und schürt Interaktivität. Im Alltag Gesehenes verändert sich vom kleinen Skizzenblock zum großflächigen Papier hin als offenes Objekt zwischen Sein und Schein. Die Mutationen als Folge der zeichnerischen Fixierung öffnen den Interpretationsspielraum. Die Objekte spiegeln Faszination für die Technik wider und können ins Erschrecken kippen.  
 
Jedes Bild, durch den Titel angestoßen, entfaltet eigene Geschichten. Den Faden zwischen den Blättern kann der Betrachter knüpfen, manchmal nimmt ihn der Künstler in die Hand, vielleicht sind es ja aber auch geheime Strukturen, die Regie führen. Immer mehr ebnet bei Ralf Tekaat die Präsentation den Weg, zunehmend fügt der Künstler explizit ganze Geschichten als Subtext hinzu. Letztlich aber sprechen Motiv und Material, sind Anstoß für unendliche Erzählungen wie bei Thomas Ruggles Pynchon. Auf die Suche kommt es an, nicht aufs Finden. 

Rainer Beßling über Ralf Tekaat
Auszug aus:
swb-Galerie, Band IX, Bremen, 2004

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