Zeichnen auf Spitzbergen




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April 2017
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aktuell








Sonntag 14. Mai 2017
Erneut für heute eine Tour gebucht. Es ging zum Larsbreen (Breen heißt Gletscher), um dort in eine Gletscherhöhle hinabzusteigen. Das funktioniert eigentlich nur hier auf Spitzbergen, wo die Gletscher sich sehr langsam und im Winter eigentlich gar nicht bewegen. Auf dem Festland wäre so etwas wohl viel zu gefährlich. In einer Gruppe von 8 Touristen und 2 Führern und eine Schlittenhündin a.D. gingen wir fast den gleichen Weg hoch, den ich gestern zum Trollsteinen hoch marschierte, aber deutlich langsamer. Und auf dem Hinweg gingen wir untern durch die Moränen. Schon da erste Eisformationen: Eiszapfen mit Staub überzogen, Eisplacken zwischen Erde und Staub und Erde auf Eis.
An einem sehr unscheinbaren Miniiglu wurde gesagt: Das ist der Eingang. Im ersten Moment schwer vorstellbar. Mit Helm und Stirnlampe machten wir uns an den Ein- und Abstieg. Das ganze Ding war nichts für KlaustrophbikerInnen.
Was soll ich sagen? Die Fotos geben einiges wieder. Eigentlich freute ich mich, dass es im innern des Gletschers nicht so stark farbig war. Nur in Grau-Tönen gehalten. Ideal um es mit Bleistift zu zeichnen. Ich versuchte es sogar; gab es aber bald wieder auf, weil ich merkte um den Formen gerecht zu werden muss ich mir Zeit nehmen, etwas ausprobieren und in Ruhe dort sitzen. Und es war letztendlich ein langer, schmaler Gang, in dem es schon an manchen Stellen schwierig war aneinander vorbeizukommen. Also habe ich viele Fotos gemacht, die natürlich nicht alle was geworden sind und zwei Videos, die ich jetzt mal zu einem zusammen gefügt habe und meine Spitzbergenlieblingsmusik (Der Soundtrack zu „Her“ von Arcade Fire) drunter gelegt habe. Weil diese Glitzern, das von durch die Stirnlampen hervorgerufen wurde, war schon irre. (Grüße an „Irre“-Uli, where ever You are.)
Und eigentlich um es jetzt richtig zu machen, müsste ich da noch mal rein: egal ob mit Kamera oder Stift.

Icecave from Ralf Tekaat on Vimeo.

















Samstag 13.Mai 2017
Hier mal ein paar Fotos vom Haus, aus der Wohnung (große Wohnküche, mein Zimmer und der Flur) und dem Atelier und schließlich noch der Blick aus dem Atelier. Es gibt drei Zimmer, die aber jeweils zu zweit bewohnt werden können. Zur Zeit sind wir 3: eine junge amerikanische Schriftstellerin, eine norwegische Künstlerin, die ihre Ausstellung nächste Woche hier in der Galleri Svalbard aufbaut und eben icke.














Samstag 13.Mai 2017
Schlecht eingeschlafen, weil ich hin und her überlegte, ob ich den Spitzbergen Marathon laufen will oder muss. Ob ich das meiner Familie und mir zumute, hier noch 4 Tage dran zu hängen. Oder ob es nicht auch anders geht. Muss ich es der Kunst willen tun?
Trotzdem oder deshalb noch vor dem Frühstück Laufen gegangen, knapp 13 km mit dem stets freundlichen 3 km-Anstieg von knapp 100 Höhenmetern zum Schluss.
Nach dem Frühstück wollte ich mit hier direkt am Ende der Straße das „Up ‚n’ down Festival“ ansehen. Dabei gehts darum auf den Trollsteinen mit Skiern hochzusteigen und dann die Abfahrt zu geniessen. Manche machen da wohl ein Rennen draus. Die Meisten nehmen sich mehr Zeit.
Eigentlich erst im dortigen Start/Ziel-Bereich wurde mir klar, dass es die Gelegenheit war, um selbst auf den Trollsteinen zu wandern. Der liegt, wie eigentlich alles hier, natürlich in der Eisbären-möglichen-Zone. Aber heute standen in regelmäßigen Abständen Wächter. Also stapfte ich los. Relativ schnell wurde mir viel zu warm, da ich die falschen Sachen an hatte und auch nicht damit gerechnet hatte, dass die Sonne so stark wäre. Und ich ließ mich von einer Gruppe von deren fast schon hektischen Tempo anstecken. Ich zog die 750 Höhenmeter auf 4 km Strecke in 1 1/2 Stunden durch. Es sieht dann hier vieles recht nah aus, weil die Vergleichsgrößen fehlen, so dass ich mich selbst auch schwer zügeln konnte, da ich immer dachte: Ach bis dahin, das Bisschen geht doch noch.














Der Blick belohnte mich: weite weisse Welt. Wie stets zur Zeit tief blaue Schatten. Und seltsame Schneekristalle, die aussahen wie Cornflakes.
Und dann klingelte mein Telefon. Ich freute mich, jemanden von dieser tollen Aussicht, dem super Wetter vorschwärmen zu können. Es war allerdings jemand mit starken osteuropäischen Akzent, der meine Nummer meines Stromzählers haben wollte, da ich dann weniger Geld zahlen sollte. Von einem Anbieterwechsel sprach er zwar nicht. Aber das war irgendwann mein Verdacht. Er gab mir eine recht obskure Email-Adresse, nach der er minutenlang suchen musste. Im Hintergrund hörte ich eine ganze Reihe anderer (mit ähnlich starkem Akzent) reden.  Irgendwann, mein Blick schweifte über das unberührte Spitzbergen und ich fing an zu lachen.



Der Rückweg war mal wieder recht einfach. Im Schnee macht man, wenn er nicht zu fest gefroren ist, einfach seine eigene Treppe. Das ist auch relativ Gelenk schonend, da der nachgebende Schnee nachgibt und der Tritt gebremst wird und man sanft den Fuss aufsetzt.
Pünktlich zur Bundesligakonferenz war ich wieder zurück. Und ich sitze seitdem recht geplättet auf dem Sofa.





Freitag 12. Mai 2017 im Atelier
Immerhin die Wände füllen sich. Ich nähere mich mit kleinen Formaten an, die dann bald mit der Post in die Welt geschickt werden. Noch arbeite ich an den Postkarten meiner UnterstützerInnen meiner Crowdfunding-Kampagne. Eine Postkarte ist schon raus, wurde von mir für gut befunden.
Hier ins Arbeiten zu kommen ist bei einer solchen Überwältigung der Landschaft und überrollenden Eindrücke nicht einfach. Das ist normal und das kenne ich. Trotzdem ist es manchmal nicht einfach nicht die Ruhe zu verlieren. Das Arbeitstempo nicht hochzuschrauben und ungeduldig zu werden. Jetzt habe ich seit einigen Tagen - nach dem irren Trip an die Ostküste - keine weitere gebuchte Tour gemacht. Ich werde wohl nochmal an die Ostküste fahren und dann versuchen zu zeichnen (oder noch mehr Fotos zu machen). Ich merke, dass ich innerlich etwas ruhiger bin und nach und nach hier eine Atelierroutine entwickele, ohne mich von der Natur drumherum in permanenten Ausnahmezustand versetzen zu lassen.
So oder so die Eindrücke werden nachwirken und die eigentliche Umsetzung und Verarbeitung mit etwas Distanz kann eigentlich nur in Berlin stattfinden.
Womit ich nun nicht gerechnet habe ist, dass mir abends das Arbeiten schwer fällt. Besser gesagt ich komme auch abends nicht so zur Ruhe, wie ich das gewohnt bin. Dadurch, dass auch dann immer noch die Sonne scheint geht der eigene Fokus weiterhin nach außen. Man kann ja noch versuchen die Berge zu zeichnen, das Licht einzufangen oder die Wolken filmen. Mich dann hier auf mich zu besinnen und mich davon nicht ablenken lassen ist nicht einfach.



Freitag 12. Mai 2017
Meine erste Enttäuschung hier - schon am ersten Tag - war das Wasser, das Leitungswasser. Es schmeckt nicht, bzw es schmeckt chlorig und auch ein wenig nach Plastik. Ich hatte mir vorgestellt, aus der normalen Leitung würde quasi klares Gletscherwasser kommen. Dann mit etwas nachdenken, relativierte sich diese Erwartung. Gerade im Winter ist hier natürlich alles gefroren. Die Flüsse werden zu besten Skiscooter Pisten. Das Wasserreservoir ist eine große Eisfläche.
Insofern kommt die Frage auf, wie funktioniert das überhaupt hier mit der Wasserversorgung. Man sieht überall im Ort die oberirdisch verlaufenden Rohrleitungen. In größeren Abständen münden diese Leitungen in ein Häuschen. „Fyrhus“ steht draußen dran, heißt Kesselhaus.



Von dort werden die Wasserleitungen weitergeteilt. Aber die Menschen, die ich hier danach fragte wussten es nicht, was der Trick mit dem Leitungswasser ist. Die künstlichen Erwärmung wird vielleicht noch mit erhöhtem Druck kombiniert, so dass das Wasser nicht einfrieren kann. Ich hoffe, von der Beigabe von Frostschutzmittel wird abgesehen.
(Nachtrag von Ende Mai: Ich bilde mir sogar ein, dass das Wasser immer mehr nach was anderem schmeckt, dass die Qualität geschmacklich immer schlechter wird. Oder ist es nur der Überdruss?)







Aber schmeckt hier im Sommer das Wasser dann besser?
Obwohl es hier natürlich Schnee gibt, ist das Klima, das einer Wüste. Denn soviel Schnee gibt es gar nicht, dafür, dass es hier ein dreiviertel Jahr Winter ist. Bisher hat es ein oder zweimal geschneit. Es war aber nur ein ganz zartes Tanzen der Schneeflocken. Insgesamt kam vielleicht 1 cm Schnee dazu. Ein Guide erzählte, dass es sowohl im Januar als auch im Februar Plus-Temperaturen gab und es sogar regnete. Dann gab es innerhalb von 24 Stunden ein Temperatursturz von über 20°, von +3 auf -20.

Wie blau abends das Licht ist, fällt mir gar nicht auf. Wenn ich aber - ohne Korrektur - eine Zeichnung von mir fotografiere (8km-Spitzbergen (Nachts um 1 dem Licht entgegen)-2017-05-03 | 20 x 30 cm | Bleistift auf Papier) sieht das so aus. Die Zeichnung ist auf WEISSEM Papier.






Donnerstag 11. Mai 2017
Es scheint eine gewisse Sättigung einzutreten. Der Fokus geht nicht mehr ständig nach Außen. Innerhalb der offiziell für mich, der ich kein Waffenhalter bin, erlaubten Zone ist vielleicht auch nicht mehr so viel zu entdecken. Meine Wanderungen raus in die ZONE will ich vielleicht auch nicht überstrapazieren. Aber ich kann beim besten Willen keinen Eisbären dort erkennen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass sich so ein Tier - momentan - hier hin verirrt, wo weiterhin viele Schneemobile langknattern, es hier kein Meereis gibt, wo nun mal sein bevorzugtes Essen quasi in sein Maul springt, wenn der Eisbär am Luftloch der Robben auf dem Eis wartet, bis die Robbe wieder Luft holt.
Also gestern im Atelier gearbeitet. Wenn ich mir jetzt die Zeichnungen ansehe, bin ich gerade von der Farbigkeit selbst überrascht. Klar immer noch etwas ruhelos. Aber sagen wir mal so: Es ist ein Anfang. (to be continued)





Gestern Abend auf der Eröffnung von „Digital Balke“ gewesen. Peder Balke (1804–1887) war noerwegischer Maler, der für seine Landschaftsmalerei bekannt wurde. In der Kunsthall Svalbard wurde in einer 3er Projektion zum einen seine Gemälde gezeigt, die er nach seinen Reisen in die Arktis gemacht hat, flankiert von Details und Tagebuchauszügen. Funktioniert gut. Natürlich ein schmaler Grad für mich: zwischen anregend oder doch hemmend.
Immer wieder überraschend, was für Menschen hier nach Spitzbergen kommen. Sie z.B. gebürtig in Australien, kam nun nach 10 Jahren New York direkt hier nach Spitzbergen um diesen Job (Managerin von Artica Svalbard, einer Künstlerresidenzstätte) anzunehmen. Oder ein Engländer, der nach einem Kältetraining so von Spitzbergen fasziniert war, dass er hier Tourguide wurde. Meine Mitbewohnerin erzählte von Malaysiern, die hier wohnen und arbeiten, weil es nun mal gut bezahlt ist, sie aber scheinbar wenig mit der Landschaft anfangen können (wen wunderts). Einige der Hilfen im Supermarkt sind Thais. Es gibt auch einen Thai-Supermarkt (war ich aber noch nicht drin).
Mein Laufen schob ich gestern auf den späten Abend (bin erst nach 22 Uhr losgelaufen), da ich auch dachte, dass je später es ist, das Licht schöner wird. Wobei nun inzwischen die Sonne wirklich so hoch stehen bleibt, dass kaum eine Verfärbung des Himmels eintritt. Aber es ist auch ruhiger, weniger Autos und trotzdem, obwohl das Licht einem etwas anderes Glauben machen will, ist es Abend und die Stimmung schon speziell. Ich lief Richtung Flughafen und musste aufpassen mich auf dem zum Teil großflächigem Eis nicht aufs Maul zu machen. Und ich erfreute mich  meiner Zwischenzeiten (dem Untergrund zum Trotz) und somit meiner Fitness. Diese relatievierte sich dann doch auf dem Rückweg, als ein eiskalter Wind aus Osten mir entgegen blies. Mir wehten es mehrfach meine Knopfhörer aus dem Ohr. Das Tal, das ich hoch musste schien eine Trichterwirkung zu haben. Der Wind wurde immer stärker und es war echt echt saukalt. Und anstrengend. Ich versuchte sogar kurz rückwärts zu laufen um dem Wind zu entgehen. Ging nicht gut. Ich phantasierte sogar auf dem Weg, ob ich nicht besser ein Auto anhalten soll. Oder ob es sinnvoll wäre, in eins der stets offenen Häuser (wegen der möglichen Eisbären) zu flüchten. Es war wirklich wirklich kalt. Ich war sehr froh zuhause angekommen zu sein. Oben angekommen hatte ich Eisklumpen im Bart.



Mittwoch 10.Mai 2017

Gestern im Atelier versucht meinen Eindrücken eine Form zu geben. Schnee ist nun generell nicht das bevorzugte Motiv um es zeichnerisch zu lösen. Zur Zeit scheint hier auf Spitzbergen eher die Weite, die Unberührtheit und dabei symbolhaft der gleißend Weisse Schnee sich als Thema aufzudrängen. Das Licht ist natürlich in Kombination mit dem Schnee besonders. Das permanente Licht hingegen verwirrt und fasziniert mich weiterhin. Alles Dinge, die nicht direkt nach Bleistiftzeichnung schreien.
Diese eingefrorenen Eisberge auf dem Meereis wären hingegen dankbar. Obwohl ich auf dem Ausflug an die Ostküste an die 200 Fotos gemacht habe denke ich immer, ich habe von den eigentlichen Dingen zu wenig Fotos gemacht. Und selbst wenn ich nur kurz skizziere prägt es sich immer besser ein. Aber dort auf dem Eis war es echt kalt. Die Finger froren sofort, wie ich sie aus der doppelten Schicht Handschuhe nahm um nur kurz ein Foto zu machen. Aber irgendwie muss ich da noch mal hin. Der britische Guide, mit dem ich auf den Foxfonna im Nebel umherwanderte hat leider kein Schneemobil. Nun schau ich schon bei dem Anbieter Arctic Adventures, wie weit die Tour gebucht sind. Denn sie behaupten sie würden die Tour auch schon machen, wenn nur einer voll bezahlt. Das wäre natürlich meine ideale Vorstellung, dann würde ich sagen, hier oder dort brauch ich nicht anhalten, sondern lieber etwas länger an der Moräne, am Übergang zwischen Festland und Meereis (ich habe davon bisher keine Fotos im Netz finden könne) (wahrscheinlich fände der Guide das nicht so gut, da es dort zu unübersichtlich ist und viele Versteckmöglichkeiten für Eisbären gebe) und natürlich auf dem Eis.









Gestern ging ich nochmal in das kleine Tal in dem ich vor einigen Tage bereits war, wo es eine ganze Reihe von Schneebrocken gab, die ich zeichnen und auch besser fotografieren wollte. Diesmal war ich später dran und die Sonne war bereits weg, so dass das Licht viel zu gleichförmig war. Weder fotografieren noch zeichnen war zufriedenstellend. Ich ging stattdessen das Tal hoch bis zum Ende auf eine Plateauebene. Diese Ebene, deren Ränder ich auch von meinem Atelier sehe.
Wieso nicht einfach Berge zeichnen.







Montag 08.Mai 2017
Es war der ruhigste Tag bisher. Den Tag über spürte ich sehr deutlich einen Muskelkater im Rücken von der gestrigen Tour, bei der man doch gut durchgerüttelt wurde. Eigentlich hatte ich vor, die Eindrücke von gestern anzufangen zu verarbeiten. Aber irgendwie vergeht am Tag die Zeit schneller als ich mir vorstelle. Es war nämlich doch erst mittag als ich laufen ging, um noch in der gestrigen Tour-Agentur vorbeizulaufen. Denn nach mehreren Suchdurchläufen musste ich mir eingestehen, dass ich wohl mein Fernglas im Overall vergessen hatte. Die Dinger sind einfach so schwer, dass ein zusätzliches Gewicht nicht auffällt. Zudem besitzen sie zahllose Taschen. Danach musste ich was essen und so war es doch erst 18 Uhr bis ich im Atelier meine Sachen zusammen hatte.
Dort versuchte ich mich an der Sicht aus meinem Fenster: den weiss bedeckten Berge gegenüber von Longyerbyen. Aber Schnee als solcher und dann noch eher der unberührte, unverschmutzte  ist kein dankbares Zeichenmotiv. Vergleichbar mit dem Gesicht eines Baby: ein falscher Strich bzw ein Strich zuviel und schon erscheint es falsch. Und ich gestehe, mir fehlt in solchen Dingen die Übung. Also noch eine Schicht einlegen. (Ich spar mir jetzt die selbstaufmunternden Ratschläge.)





Die Einträge von der ersten Mai-Woche findet ihr hier.